#PICOSCLASSICS - "OMLOOP FONTANE" 25.02.2018

"Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf." 
(Theodor Fontane (1819 - 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theaterkritiker) 

„So eine Dummheit“ (Gelber Brink, 21.01.18 - Teilnehmerin Brockennageln 2018) 

„Dummheit, bei diesem Wetter“ ( Oderhänge Mallnow, 25.2.2018, Teilnehmer Omloop Fontane 2018) 

Fast schon traditionell verbindet sich dieser Ausspruch mit dem Motto freizeitlicher Radaktivitäten unter der Rot-Blauen Fahne des Picosknäuels. Mindestens ebenso traditionell schickt sich am letzten Februar Wochenende der Omloop Fontane an, diesen Superlativ jährlich erneut für sich zu beanspruchen.  

Dem Omloop Het Niewsblatt, der ofiziellen Eröffnung der Klassikersaison, angelehnt und lokal interpretiert, folgt der Kurs als GPS-gewordene Verschmelzung von Steinzeit und Eiszeit, über 200 Kilometer der Spur von Theodor Fontane durch das Oderland und nimmt dabei vorzugsweise klassische und traditionelle Wege in Form historischer Pflasterstraßen, sowie die kumulierten märkischen Eiszeitrelikte unter die Pneus. So auch in diesem Jahr, welches jedoch unter besonderen Vorzeichen steht. Väterchen Frost weis mit der Ankündigung seines unerwarteten VIP-Besuchs am Streckenrand zu polarisieren und dominiert die Kommunikation auf allen medialen Kanäle im Vorfeld. 
Der ritualisierte prüfende Blick auf den Wetterbericht im Vorfeld ,lässt eine klare Tendenz zu authentischen eiszeitlichen Konditionen erahnen. Das Drehrad der angeschlagenen Temperaturen für den geplanten Start pendelt sich nach ständigen Auf und Ab bei -10 C° ein und auch die Tageshöchstwerte bei -3C°, können die Laune im Anbetracht des vorliegenden Kurses, welcher aufgrund seiner Beschaffenheit schon unter normalen Bedingungen nicht nur topographisch eine Expedition ins Grenzgebiet darzustellen vermag,nicht hinreichend erwärmen. 
Entsprechend ehrfürchtig aber vermutlich eher kraftschonend sind die Bewegungen des halben Dutzend Freiwilliger zu deuten, welche sich zu früher Morgenstunde in Buckow aufmunitioniert mit hinreichend Frostschutzmitteln einfinden. Immer wieder geht der Blick aufs Thermometer und der Geist versucht die Beobachtungen mit dem Überlebensinstinkt und abgeleiteten Schutzmaßnahmen abzugleichen. 
Frei nach Fontane, "Wer ein Ziel will, darf den Weg nicht scheuen, er sei glatt oder rauh.", und "Am Mute hängt der Erfolg" erfolgt um 8:15 Ortszeit der Kaltstart und das überschaubare Peloton begibt sich unter den neidvollen Blicken der ortsansässigen Frühaufsteher auf die Strecke. 
Nachdem das Grupetto mit den morgendlichen Potsdamer Berufspendlern komplettiert aufgestockt ist, geht’s ohne weitere Verzögerung direkt in die Aufwärmphase über die Müncheberger Ortspflaster hinaus in den warmen Süden. Unter den klimatischen Umständen erscheint es dabei nachvollziehbar, dass jeder Einzelne, die den wegsäumenden Pflaster der wiederkehrenden Schul- und Poststraßen in individuellen Ausmaß und zeitlichen Umfang genießt. Dank der zusätzlich sehr wechselhaften Höhenlagen der örtlichen Landstraßen ist die Betriebstemperatur recht schnell erreicht und die Stimmung innerhalb der Gruppe konsolidiert sich. 
Kurz hinter Briesen erfolgt im dichten Kiefernwald die erste nennenswerte Bestandsprobe. Über die Autobahn hinweg prescht das Feld in Richtung Waldeingang unwissend was sie dort erwartet.  

In wenigen Augenblicken löst sich unvermittelt der Asphalt unter den Rädern in versprengte Pflasterstein-Fragmente auf. Jegliche Hoffnung auf ein baldiges Ende wird durch den steinigen Blick gen Horizont begraben. Manch Teilnehmer mag nach einigen Kilometer den Kurs mindestens so oft verfluchen, wie das majestätische Tier, dessen Denkmal den Wegesrand ziert, einst vor dem Erlegen durch Friedrich den I., Enden in seinem Geweih trug. Manch anderer Teilnehmer mag sich nach der Passage des Denkmals, die Kompanie Lange Kerls gewünscht haben, welche Friedrich zu seiner Zeit für das Geweih des Sechsundsechzig- Enders von August dem Starken erhielt, um sich und sein Sportgerät von dieser im Laufschritt über die wechselnde Oberflächenbeschaffenheit hinein in die Tiefen des Forstes tragen zu lassen, welche deutlich mit der gewohnten preußischen Ordnung bricht.. Spätestens jetzt wird jedem, Steinschlag auf Steinschlag, wahrlich schlagartig bewusst auf welches Unterfangen man sich hier eingelassen hat. Es bleibt nur die Flucht nach vorn und diese wird nach vier Kilometern mit feinstem Flüsterasphalt belohnt.  
Der Kurs reckt sich gen Norden und konfrontiert die leidgeprüften Recken erstmalig mit dem kalten Nordwind. Über die vergessenen Landstraßen Brandenburgs geht’s vorbei an fontanschen Wegpunkten und polaren Getier, dass bei den vorherrschenden Bedingungen fast heimisch anmutet. Die aneinander gereihten Feldsteine der Mark vollziehen ein munteres Wechselspiel mit den selbstgebacken kulinarischen Pflastersteinen von Kapitän Eisbart dem Brombeerroten. 
Getreu Fontane " Du wirst es nie zu Tücht'gem bringen Bei deines Grames Träumereien, Die Tränen lassen nichts gelingen: Wer schaffen will, muß fröhlich sein.", steigt die Stimmung mit den Temperaturen aber auch zunehmend mit der umgebenden Landschaft, als das Peloton über einsame Landstraßen das Oderland hinter den Oderhängen erreicht. Eine Herde wegkreuzender Rehe unterstreicht die an sich schon malerische Kulisse der Adonisrösschenhänge von Mallnow . Ein geeigneter Zeitpunkt und Ort für den Flickefuchs ,um den Teilnehmern vor dem ersten Anstieg des Tages ein kurzes Verweilen im Moment zu und einen ausgiebigen Schleck vom in der Trinkflasche mitgeführten Wassereis zu ermöglichen. 
Ein handfestes Pflaster hatte am Hinterrad des Flickefuchs augenscheinlich durchschlagenden Erfolg hinterlassen. Eine Gefahr die viele Teilnehmer gut zu umgehen wussten in dem sie dem Ruf des Radsports als Randgruppensport Treue hielten und sich wohl im Angesicht des Flickefuchses nicht anmaßen wollten ihm seinen Ruf durch unvorsichtige, rücksichtslose Fahrweise auf dem Pavé streitig zu machen. 
Frisch geflickt steigt Flori Flickefuchs motiviert und unbeeindruckt den Oderhang von Mallnow anschließend empor und hinterlässt in seinem Windschatten Wortfetzen die sich nach kurzer Überlegung zu „Dummheit,.. das bei diesem Wetter“ (Oderhänge Mallnow 25.2.2018) zusammenfügen lassen.  
In einer Linie gezogen folgt das regruppierte Feld der Dummheit nach Lebus, wo die sehnsüchtig erwartete Mittagspause ansteht.  
Die Interpretation von Slowfood im hiesigen Anglerheim stellt die versammelten Frostbeulen vor eine zusätzliche Geduldsprobe und führt in einem Akt von Verzweiflung zum rücksichtslosen Angriff auf die Reserven der mitgeführten Tiefkühlvorräte. Eine Stunde, zwei behutsam gekochte Suppen ,drei fangfrische Bockwürste und sieben Scheiben „anständigen“ Schinken später, sorgt der gepflasterte Anstieg vorbei an den Lebus-Letters schnell wieder für steigende Temperaturen. Das Grupetto nimmt Fahrt auf und schlägt den Kurs gen Zeisigberg ein. Mit seinen bis zu 15% steilen Pflasteranstieg heizt dieser die Stimmung reichlich an und führt uns auf eine lang gezogene gepflasterte Gerade in Richtung Norden und dessen kalten Odem. 
Im ungeordneten Führungswechsel nimmt der Polar-Express schnell Fahrt auf. 
Für einzelne Passagiere führt das angeschlagene Tempo schnell zu Begleitumständen, die in ihrem Wesen der Oderbruch-Trockenlegung durch den alten Fritz ähneln,welche die heutige Passage erst ermöglichte. Doch die Lokomotive zieht unermüdlich in Richtung Norden und das Oderbruch kalt und zügig an uns vorbei. Die preußischen Baudenkmäler und romantischen Felder des Oderbruchs im Sonnenuntergang bleiben kurzlebige flüchtige Eindrücke und ich sehne mich innerlich zunehmend nach einer Verlegung in den Speisewagen. Mein Wunsch scheint aufgrund der mangelnden Sauerstoffzufuhr nicht entsprechend artikuliert worden zu sein. Denn wenig später finde ich mich beim Passieren des Ortsschildes Neu Trebbin an der Zugspitze wieder. Innerlich grinsend ergebe ich mich dem Schicksal und nehme mich der Führungsrolle dankend an. 
Ungebremst steuere ich unseren Zug direkt auf die nächste Pflasterstraße, welche in digitalen Radsportnetzwerken auch unter dem Alias „Schönste Ossi Straße“ bekannt ist.  
Erwartungsgemäß führt die Begegnung mit dieser zu panischen Rangierarbeiten in Folge derer der Zug mehrgleisig auf diverse Neben- und Abstellgleisen zerfällt und erst vor der geschlossenen Bahnschranke zaghaft wieder zusammenfindet. Geschlossen verlassen wir das Oderbruch dank einer vorauseilenden Herde schwangerer Mutterschafe im Bummelzugtempo in Richtung Wriezen und den nördlich angrenzenden Wäldern rund um Bad Freienwalde, Heimat der nächsten topographischen Klimaxe auf der heutigen Agenda. 
Mit der Sonnenkraft schwindet auch langsam die verbleibende Beinkraft und so stellen die 3,5 % durchschnittliche Steigung des Vorwärtsberges inmitten der Hutelandschaft Altranft, zunehmend eine ungeahnte Kraftprobe dar. Der sich anschließende bis zu 17 % steile gepflasterte Anstieg des Finkenbergs und sein unmittelbarer Nachfolger, der Meisenberg fordern noch einmal ein Mobilisieren letzter Reserven in den zu Eiszapfen transformierten Muskelsträngen und führt zu einer zunehmenden Kräfteheterogenität des Feldes. 
Kein Wunder sind wir bei Km 185 nun schon über 8 Stunden im märkischen Eisschrank unterwegs. 
Dennoch nähern wir uns mühsam aber stetig dem morgendlichen Ausgangspunkt, damit verbunden nach Einbruch der Dunkelheit aber auch dem klimatischem . So reiten wir im lockeren Trab, nachtblind über die letzten sich aufbäumenden Wellen durchs Märkische Switzerland und erreichen um 19:00 Ortszeit das erlösende Ortschild von Buckow. 
Es folgt eine letzte Runde auf einer komprimierten Zusammenfassung des heutigen Kurses bevor der Gefrierbrand um den Schlusspsrint auf die ansteigende Zielpassage entbrennt. 
1.,.2.,3.,4.,5.,6…...Die Ziellinie zieht im zwielichtigen Mondschein einen Schlussstrich unter die heutige Austragung und bilanziert einen überragenden Erfolg , denn nach Fontane, "Leidenschaft ist immer siegreich" darf sich allen voran genau diese heute kollektiv gelebte Leidenschaft als wahrer Sieger über Körper und Geist, allen Zweifeln und Ängsten zum Trotz in das Palmarès der bisher extremsten Austragung der #PicosClassics eintragen. 

Chapeau ihr Wahnsinnigen, es war zum dahinschmelzen!